Der Weg in die Klinik ist für viele Betroffene ein großer Schritt. Zum einen emotional und zum anderen auch aufgrund der versicherungstechnischen Hürden, die es zu überwinden gilt. Es gibt viele Fragen rund um den Versicherungsantrag. Darüber möchte ich mich heute unterhalten mit Chefarzt Dr. Schmidt. von der Leisberg Klinik in Baden-Baden.

schmidt01_web-80bb97e9Herr Dr. med. Norbert Schmidt
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Zusatzqualifikationen in Suchtmedizin, Verkehrsmedizin und Gerontopsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie  Ärztlicher Gutachter für alle Gerichte, Krankenversicherungen und Privatpersonen, Leitungserfahrung in verschiedenen Akut- und Rehakliniken

Chefarzt der Klinik am Leisberg seit 2006

 

Dr. Jörg Wittenberg:
Wie sieht der „normale“ Antragsweg aus, um sich in einer Klinik behandeln zu lassen, wenn man unter einer Depression bzw. Burn-out leidet?

Dr. Norbert Schmidt:
Der ambulante Psychotherapeut, Psychiater oder auch der Hausarzt schreibt einen kurzen Antrag aus dem die Diagnose hervorgeht und in dem begründet wird, warum eine ambulante Therapie nicht ausreichend ist.

Dr. Jörg Wittenberg:
Viele Patienten, die auf der Suche nach einer Klinik sind und einen Antrag bei Ihrer Versicherung stellen, machen die Erfahrung, dass Sie im ersten Anlauf abgelehnt werden. Was ist solchen Fälle eine sinnvolle Vorgehensweise, um doch noch ans Ziel zu kommen?

Dr. Norbert Schmidt:
Wenn der Antrag bei der Rentenversicherung gestellt wurde, muss man immer damit rechnen zunächst eine Ablehnung zu bekommen. Die Quote liegt hier meiner Beobachtung nach deutlich über 50%. Die Krankenkassen und Krankenversicherungen, sowie die Beihilfestellen sind da unproblematischer. Grundsätzlich gilt aber, dass unzureichende Begründungen und unklare Diagnosen wie „Mobbing“, „Erschöpfungssyndrom“ oder „Eheprobleme“ zu Ablehnungen führen.

Dr. Jörg Wittenberg:
Kann auch der eigene Hausarzt eine Einweisung in eine Klinik veranlassen oder muss man vorher zu einem Spezialisten, z.B. Psychiater, gehen?

Dr. Norbert Schmidt:
Wenn die Einweisung durch den Hausarzt erfolgt, kommt es häufig zu Nachfragen, ob denn die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Das kann zu unnötigen Verzögerungen führen. Ich empfehle daher die Einweisung durch einen Facharzt für Psychiatrie oder Psychosomatische Medizin oder einen Neurologen. Seit kurzem ist es auch den niedergelassenen Psychologischen Psychotherapeuten möglich Einweisungen in Kliniken zu schreiben.

Dr. Jörg Wittenberg:
Was ist denn der Unterschied zwischen den verschiedenen Ärzten und Psychologen?

Dr. Norbert Schmidt:
Den Facharzt für Psychiatrie gibt es kaum noch, diese Ärzte haben nicht zwingend eine Psychotherapieausbildung. Er wurde durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ersetzt. Dieser hat in seiner Facharztausbildung 4 Jahre Psychiatrie inklusive Psychotherapieausbildung und ein Jahr Neurologie. Der Neurologe dagegen hat 4 Jahre Neurolgie und ein Jahr Psychiatrie, ohne Psychotherapieausbildung. Zusätzlich gibt es den Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Dieser hat in seiner Ausbildung auch ein Jahr Innere Medizin. Die Psychologischen Psychotherapeuten haben Psychologie studiert und anschließend eine mindestens dreijährige Psychotherapieausbildung absolviert, dürfen aber keine Medikamente verschreiben, da sie keine Ärzte sind.

Dr. Jörg Wittenberg:
Wann muss man sich eigentlich an die Rentenversicherung und wann an seine Krankenversicherung wenden?

Dr. Norbert Schmidt
Bei akuten Erkrankungen ist immer die Krankenkasse zuständig. Die Reha-Maßnahme über die Rentenversicherung ist in der Regel eher vorbeugend und soll eine Gefährdung der Berufsfähigkeit abwenden.

Dr. Jörg Wittenberg:
Welchen Unterschied macht es, ob man privat oder gesetzlich versichert ist?

Dr. Norbert Schmidt:
Als privat Versicherter hat man eine größere Auswahl und kann problemlos auch in reine Privatkliniken gehen. Dies ist zwar auch für gesetzlich Versicherte nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches möglich, aber die Krankenkassen machen da häufig Probleme und bauen unnötige Hürden auf. Auch wird nur der Gebührensatz übernommen, der in einer Vertragsklinik anfallen würde, so dass Differenzen von über 100,- Euro pro Tag entstehen können, die dann entweder über eine private Zusatzversicherung abgedeckt werden können oder von den Versicherten als Selbstzahler zu leisten sind. 

Dr. Jörg Wittenberg:
Ist es eigentlich einfacher eine Einweisung in eine Tagesklinik zu bekommen als eine stationäre Behandlung genehmigt zu bekommen? Und wann ist eine Tagesklinik die richtige Wahl für die Patienten.

Dr. Norbert Schmidt:
Da gibt es kaum Unterschiede. Die Tageskliniken haben aber häufig deutlich längere Wartezeiten. Eine Tagesklinik bietet sich an, wenn im Haushalt kleine Kinder oder andere Angehörige sind, die man nicht längere Zeit alleine lassen kann.

Dr. Jörg Wittenberg:
Kann man sich eine Klinik aussuchen oder muss man die Klinik wählen, die von der Versicherung vorgegeben wird?

Dr. Norbert Schmidt:
Da in Deutschland das Prinzip der freien Arztwahl gilt, können Sie sich eine beliebige Klinik auswählen. Die Klinik muss nur für das entsprechende Krankheitsbild geeignet sein.  

Dr. Jörg Wittenberg:
Wie lange dauert es in der Regel, bis der Antrag auf Einweisung in eine Klinik von der Versicherung genehmigt wird und wie lange ist dann die durchschnittliche Wartezeit bis man dann auch einen Platz in einer Klinik bekommt?

Dr. Norbert Schmidt:
Die Versicherungen sind gesetzlich verpflichtet innerhalb von drei Wochen über den Antrag zu entscheiden. Die Wartezeiten der Kliniken sind individuell sehr unterschiedlich. Die Klinik am Leisberg kann als private Akutklinik auch ohne vorherigen Antrag, nur mit der Einweisung eines Psychiaters, meist innerhalb von einer Woche einen Therapieplatz anbieten.

Dr. Jörg Wittenberg
Vielen Dank für das Interview, Dr. Schmidt. Ich bin sicher Ihre Antworten helfen vielen Betroffenen auf Ihrem Weg in die Klinik weiter.

 

Mein Interviewpartner:
Dr, Norbert Schmidt
Rheintal Klinik GmbH – Klinik am Leisberg
Gunzenbachstr. 8
76530 Baden-Baden
Tel.: (+49) 7221 / 39 39 30
http://www.leisberg-klinik.de