Wie verbreitet ist Burn-out?
Burn-out in der Krankenstatistik
Burn-out hat es ohne Zweifel geschafft, sich im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit zu verankern. Regelmäßig titelt die Presse mit plakativen Überschriften zu diesem Thema. Und mit jedem Burn-out Outing eines Promienten nimmt das Thema wieder Fahrt auf. Damit stellt sich die Frage: Wie verbreitet ist Burn-out in Deutschland?
Der Status Quo im Zahlenwerk
Wer auf der Suche nach Antworten einen Blick in die Statistiken der Krankenkassen wirft, wird überrascht sein. Denn dort findet er nichts. Der Grund dafür ist einfach. Der Burn-out ist keine Krankheit nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und wird daher statistisch nicht als solche erfasst.
Erst seit der 11. Version des WHO-Kataloges der internationalen Klassifikation der Krankheiten, kurz ICD-11, aus dem Jahr 2022 gibt es den Begriff des Burn-out als sog. qualifizierte Diagnose. Burn-out ist danach ein Syndrom, das aufgrund von chronischem Stress am Arbeitsplatz bedingt ist, der nicht erfolgreich bewältigt wurde. Vereinfacht ausgedrückt heisst dies: jemand ist aufgrund von andauernden berufsbedingten Stress krankgeworden. Die möglichen Folgeerkrankungen, die im WHO-Katalog alle mit einen individuellen Diagnoseschlüssel gekennzeichnet sind, können sowohl psychischer als auch köperlicher Natur sein. Tinitus, Kopfschmerzen oder eine Depression sind Beispiele für solche Krankheiten. Unter der Überschrift: Burn-out: Wenn Arbeit krank macht findest Du dazu noch mehr Infos.
Um herauszufinden, wie oft jemand aufgrund von Burn-out zum Beispiel eine Depression bekommen hat, müsste man die Statistiken der Krankenkassen nach der Kombination beider Diagnoseschlüssel auswerten, als z.B. Depressive Episode mit dem Diagnoseschlüssel 6A70.4 in Verbindung mit einem Burn-out, der den Diagnoseschlüssel QD85 besitzt. Weil aber die neue 11. Version des WHO-Kataloges noch nicht in das deutsche Berichtswesen überführt wurde, gibt es gegenwärtig auch keine Statistiken über Burn-out bedingte Folgeerkrankungen.
Woher kommen die Burn-out Zahlen in Presse und TV?
Man kann sich damit zu Recht die Frage stellen, was die Grundlage für die öffentliche Berichterstattung über die Verbreitung von Burn-out ist. Die Antwort ist simple. Die Journalisten setzen vielfach die Entwicklungen zum Burn-out mit den Entwicklungen von Depressionen oder noch weitergefasst mit psychischen Erkrankungen im Allgemeinen gleich. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass ein Burn-out am Ende zu einer psychischen Erkrankung führen kann. Zur Entwicklung der psychischen Erkrankungen in Deutschland gibt es umfangreiche Auswertungen der Krankenkassen, die dann gerne zitiert werden.
Das gilt es zu bedenken
Als Leser sollte man im Hinterkopf behalten, dass die teilweise sehr plakativen Aussagen allerdings mit einer Reihe von Unschärfen hinsichtlich ihrer Aussagekraft verbunden sind:
- Misst man die Verbreitung von Burn-out anhand aller gelisteten psychischen Störungen wird vernachlässigt, dass diese Diagnosegruppe rund 80 verschiedenen Diagnosen umfasst. Viele davon haben keine ursächliche Beziehung zu einem Burn-out wie z.B. Schizophrenie.
- Nimmt man nur allein die Diagnosen der depressiven Störungen wird wiederum der große Bereich der
Anpassungsstörungen vernachlässigt, die sich dadurch auszeichnen, dass ihnen stressbedingte Reaktionen auf
Ereignisse wie eine Scheidung, Krankheit, sozioökonomische Probleme, Konflikte zu Hause oder am Arbeitsplatz zugrunde liegen. - In beiden oben genannten Fällen können die Ursachen vielfältiger Natur sein und lassen sich nicht auf den beruflichen Kontext reduzieren, wie es für einen Burn-out aber typisch wäre. So kann die Ursache für eine Depression oder Anpassungsstörung auch im privaten Umfeld liegen.
- Auf der anderen Seite vernachlässigt die Fokussierung auf die psychischen Folgen eines Burn-outs, die Tatsache, dass berufsbedingter Stress auch physische Krankheiten nach sich ziehen kann. Tinnitus, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, aber auch eine Gastritis oder Bluthochdruck sind mögliche Folgen.
- Es gibt zwar auch im alten ICD-10 einige Zusatzdiagnosen,wie „Z56: Kontakanlässe mit Bezug auf das Berufsleben“
oder „Z73: Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“, doch sind auch deren Beschreibungen nicht eindeutig in Bezug auf den Burn-out.
Im Ergebnis sind die Zahlen der Krankenkassen damit für Aussagen über die Verbreitung des Burn-out Syndroms gegenwärtig nicht spezifisch genug. Mit diesen Zahlen lässt sich das Phänomen Burn-out quantitativ nur bedingt einkreisen. Dies muss man wissen, wenn man sie nutzt.
Psychische Erkrankungen und Burn-out Studien
Wer sich ein Bild von der Verbreitung des Burn-out Syndroms machen will, wird gerne auf die Entwicklung der psychischen Erkrankungen verwiesen. Auch wenn die Aussagekraft dieser Statistiken, wie oben beschrieben, mit gewissen Einschränkungen verbunden ist, sollen die wesentlichen Ergebnisse kurz dargestellt werden. Zusätzlich wird auch noch ein Blick auf alternative Burn-out Studien geworfen, die noch weiteren Erkenntnisse liefern.
Psychische Erkrankungen im Fokus
In den jährlichen Berichten der deutschen Krankenkassen über die Entwicklung der Gesundheitslage ihrer Versicherten nehmen die psychischen Erkrankungen seit Jahren ein breiten Raum ein. Wenn man dort nachschaut, welche Krankenheiten die vorderen drei Plätze belegen (gemessen an der Anzahl der durch sie begründeten Arbeitsunfähigkeitstage), findet sich das folgende Ranking der Erkrankungen:
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- Die Atemwege (Erkältung, Grippe und Corona lassen grüßen)
- Die Psyche (Darüber reden wir nicht)
- Das Muskel-Sklett-System (Wer kennt das nicht? Ich habe Rücken)
Zusammen lassen sich sich über die Hälfte aller Ausfalltage der Beschäftigen auf diese drei Diagnosegruppen zurückführen. Allein 18 % aller Fehltage begründen sich durch psychische Erkrankungen. In ihrem BARMER Gesundheitsreport 2023 hat das Institut für Gesundheitssystemforschung die Risikofaktoren für psychische Erkrankungen besonders beleuchtet.
Mehr als ein Drittel aller Erwerbspersonen waren danach von einer psychischen Erkrankung betroffen. Depressionen spielen zusammen mit Anpassungsstörungen die Hauptrollen. Fast 5 % der Beschäftigten wurden deshalb auch krankgeschrieben. Sie erklären damit 65 % aller Fehltage, weil die Ausfallzeiten im Vergleich zu anderen Krankheiten extrem lang ausfallen. Wir reden hier häufig von mehreren Wochen.
Außerdem zeigten sich deutliche Geschlechterunterschiede. Frauen sind von psychischen Erkrankungen häufiger betroffen als Männern. Allerdings steigt das Risiko bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter gleichermaßen. Das gilt insbesondere für das Risiko eines längeren Arbeitsausfalls.
Bei der Risikoanalyse für bestimmen Berufsgruppen ist augenfällig, dass Sozial- und Erziehungsberufe, Beschäftigte mit Gesundheitsberufen und Arbeitslose besondere betroffen sind. Bau-, Agrar- und Elektroberufe sind dagegen weniger betroffen. Häufige Arbeitsplatzwechsel steigern im übrigen auch das Risiko an der Psyche zu erkranken.
Für den seit Jahren zu beobachtenden Anstieg der psychischen Erkrankungen werden die wachsenden Anforderungen an die Beschäftigen in der Arbeitwelt mit verantwortlich gemacht.
Burn-out Studien
Wer es genauer wissen möchte, kann auf die zahlreichen individuellen Befragungen von Arbeitgebern, Arbeitnehmervertretungen, Beratungsunternehmen oder Forschungseinrichtungen zurückgreifen, die regelmäßig Befragungen unter den Beschäftigten zu diesem Thema durchführen und veröffentlichen.
So hat beispielsweise das McKinsey Health Institute im Jahr 2023 eine internationale Studie in 30 Ländern durchgeführt. Danach haben 20 % der Befragten in Deutschland Erfahrungen mit Burn-out Symptomen gesammelt. Deutschland liegt damit, vielleicht für viele überraschend, unter dem internationalen Schnitt von 22 % und weit weg von den oberen Spitzenplätzen, die von Indien mit 59 %, Saudi Arabien mit 36 % und Singapur mit 29 % eingenommen werden. Am wenigsten mit Burn-out Symptomen zu kämpfen, haben danach die Beschäftigten in Argentien mit 12 %.
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