Politik der Frauenförderung
Freiwillige Übereinkunft in Deutschland
Das Thema Initiativen zur Frauenförderung ist wirklich nicht neu. In unserer jüngeren Geschichte kann die Neuformulierung des Gleichheitsgebotes in Artikel 3 des Grundgesetzes im Jahr 1994 als ein Meilenstein gewertet werden. Seitdem heißt es dort: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Es dauerte dann allerdings noch einige Zeit, bis im Jahre 2001 die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ geschlossen wurde. Dieser freiwilligen Übereinkunft ging ein Gesetzesentwurf für ein Gleichstellungsgesetz voraus, den die damalige Bundesministerin für besondere Aufgaben Frau Sabine Bergman vorgelegt hatte, um verbindliche Regelungen zur Frauenförderung einzuführen.
Rückblickend betrachtet, drängt sich der Gedanke auf, dass oberstes Ziel der Übereinkunft nicht die Frauenförderung, sondern die Vermeidung einer gesetzlichen Regelung war, mit der die Wirtschaft unwiderruflich in die Pflicht genommen worden wäre. Im 5. Kapitel der Vereinbarung heißt es dann auch, dass die Bundesregierung keine gesetzlichen Initiativen auf den Weg bringen würde, solange die Vereinbarung erfolgreich umgesetzt wird. Ausgenommen davon wurden nur zwingende Vorgaben seitens der EU.
So wundert es nicht, dass in der Folgezeit dann einiges an Projekten auf die Schiene gesetzt und im Anschluss heftig darüber diskutiert wurde, ob die Wirtschaft bei dem Thema denn auch erfolgreich gewesen sei. Basis der Diskussion bildeten gemeinschaftlich durchgeführte Bestandsaufnahmen in den Jahren 2003, 2006 und letztmals 2008.
Eine gesetzliche Regelung wurde aber nicht geschaffen. Daraus kann man im Umkehrschluss nur ableiten, dass die Wirtschaftsverbände die jeweiligen Bundesregierungen wohl immer wieder davon überzeugen konnten, erfolgreich agiert zu haben und damit die Regierungen auf eine gesetzliche Regelung verzichteten.
Neuer Schwung in das Thema kam erst im Jahr 2011 als
Frau Kristina Schröder, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit ihrem Stufenplan für mehr Frauen in Führungspositionen einen neuen Vorstoß wagte. Mit der sog. Flexiquote präsentierte sie eine neue Variante der Frauenquote. Danach müssen sich alle der Mitbestimmung unterliegenden Unternehmen zu einer Frauenquote für ihre Vorstands- und Aufsichtsratspositionen verpflichten, die zur ihrer unternehmensspezifischen Situation passt. Dies gilt aber nur, wenn sich der Frauenanteil in den beiden Gremien zwischen 2011 und 2013 nicht verdreifachen sollte. Diese Quote wäre dann bindend und mit Sanktionen verknüpft. Sollte die Quote dann nicht erreicht werden, würden z.B. Geldstrafen ausgesprochen. Ab einer erreichten Quote von 30% Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat würde die Regelung der Flexiquote wieder entfallen, da man annehmen könnte, dass Frauen jetzt genug Einfluss ausüben, um die Unternehmenskultur entscheidend mitgestalten zu können. Mit diesem Vorschlag der Flexiquote wollte Frau Schröder einen Mittelweg bei der Einführung der Frauenquote beschreiten, denn er basiert auf der Idee der gesetzlichen Pflicht zur Selbstverpflichtung. Doch auch dieser Vorstoß verebbte.
Am 6.3.2015 war es dann endlich soweit! Nach einer erneuten Initiative der SPD Ministerin Manuela Schwesig verabschiedete der Deutsche Bundestag die gesetzliche Frauenquote. Damit haben die Abgeordneten nach langen Verhandlungen eine verbindliche Frauenquote von 30% bei der Neubesetzung von Aufsichtsräten von 108 börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen eingeführt. Gleichzeitig gab es künftig feste Zielvorgaben für rund 3.500 Unternehmen.
Die Regelungen im Überblick:
- Für Aufsichtsräte von Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, galt künftig eine Geschlechterquote von 30 %. Die Quotenregelung griff damit bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien mit in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern sowie bei europäischen Aktiengesellschaften (SE), bei denen sich das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt. Insgesamt betroffen waren 108 Unternehmen
- Sie müssen die Quote seit 2016 sukzessive für die dann neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten beachten. Bei Nichterfüllung ist die quotenwidrige Wahl nichtig. Die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze bleiben rechtlich unbesetzt (“leerer Stuhl”).
- Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, wurden verpflichtet, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Management-Ebenen festzulegen. Über die Zielgrößen und deren Erreichung müssen sie öffentlich berichten. Der Kreis der betroffenen Unternehmen erfasst neben Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien auch GmbHs, eingetragene Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. In der Summe unterlagen etwa 3.500 Unternehmen der Zielgrößenverpflichtung.
- Eine Mindestzielgröße ist nicht vorgesehen. Die Unternehmen können sie selbst setzen und sich an ihren Strukturen ausrichten. Dabei sind folgende Vorgaben zu beachten: Liegt der Frauenanteil in einer Führungsebene unter 30 %, so dürfen die Zielgrößen nicht hinter dem tatsächlichen Status Quo zurückbleiben.
- Die in 2015 erstmals festzulegende Frist zur Erreichung der Zielgrößen dürfte nicht länger als zwei Jahre sein. Die folgenden Fristen dürfen nicht länger als fünf Jahre sein.
Im August 2017 wurde seitens der Bundesregierung ein erstes Resümee über die Effekte des neuen Gesetzes gezogen, das nicht überraschend positiv ausfiel, wenn auch die tatsächlichen Veränderungen eher bescheiden ausfielen. Alles andere wäre allerdings auch vor dem Hintergrund der langen Vorläufe in Fragen der Besetzungen auf Managementebenen verwunderlich gewesen.
EU Vorschrift zur Frauenförderung steht noch aus
Auf EU-Ebene warten wir übrigens noch auf einen Konsens über eine europaweite Norm. Der letzte Vorstoß in diese Richtung datiert aus dem Jahr 2010. EU Justiz-Kommissarin Viviane Reding kündigte damals konkrete Vorschläge für die Einführung einer Frauenquote an, wenn die Unternehmen hier nicht schneller Ergebnisse präsentieren würden. Daraus entstand nach einigem Hin und her dann auch ein Richtlinienentwurf, der ab dem Jahr 2020 greifen sollte, doch innerhalb der EU nur wenige Befürworter hatte. Bei der finalen Abstimmung im November 2015 stimmten nur drei Mitgliedstaaten für die Richtlinie, neun waren dagegen und 16 Mitgliedstaaten hatten sich bei der finalen Abstimmung enthalten. Mit diesem Ergebnis wurde das vorläufige Ende der Idee einer Gleichberechtigung in Aufsichtsräten besiegelt.
Das Drehbuch über den iterativen Annäherungsprozess der Politik in diesem Thema wird aber sicher wieder geöffnet, es bedarf nur viel Geduld oder Druck seitens der Öffentlichkeit.
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