Zur Person:
Herr Dr. Christoph Florange, M. Sc., ist Chefarzt an der Klinik Wersbach im Bergischen Land. In dem 1997 eröffneten Akutkrankenhaus für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie stellt die Behandlung von Burn-out Patienten einen Schwerpunkt seiner täglichen Arbeit dar. Die Vorbereitung der Patienten auf ihre Rückkehr an den Arbeitsplatz ist dabei ein wichtiger Aspekt.
Dr. Jörg Wittenberg:
Für die Versicherungen steht sicher die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Vordergrund, wenn es um die Behandlung geht. Sehen die Patienten, die zu Ihnen kommen, das auch so oder haben die Betroffenen andere Motive für den Gang in die Klinik?
Dr. Christoph Florange:
Für betroffene Patienten ist die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht vordergründiges Therapieziel, wenn sie zu uns kommen. Es geht den Patienten im Wesentlichen darum, die mit dem Burn-out verbundenen depressiven Symptome zu beseitigen, welche für die Patienten erheblich beeinträchtigend in Bezug auf ihre psychosozialen Kompetenzen sind. Dazu zählen die Fähigkeiten zur Gestaltung von sozialen Kontakten und das Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber ihrem sozialen, ökonomischen und ökologischen Umfeld.
Dr. Jörg Wittenberg:
Wie lange dauert bei Ihnen ein durchschnittlicher Klinikaufenthalt und welche (Behandlungs-)Phasen durchläuft ein Patient dabei im Allgemeinen?
Dr. Christoph Florange:
Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug im Jahr 2013 in der Klinik Wersbach 45 Tage. Nach der Aufnahmephase in der Klinik erfolgt die eigentliche Behandlungsphase, welche in die Entlassungsphase überleitet. Die Entlassungsphase kann wiederum von einer Behandlungs- bzw. Nachsorgephase nach dem Klinikaufenthalt begleitet werden. Manchmal ist es sicherlich sinnvoll, die stationäre Behandlung im letzten Therapiedrittel in eine teilstationäre Behandlung umzuwandeln. Dies ist zwanglos möglich, wenn der Wohnort des Patienten in der Nähe des Klinikstandorts liegt. Diese teilstationäre Behandlung wirkt als antiregressives Setting (d.h. wirkt gegen den Rückfall in alte Verhaltensweisen), stärkt die psychosozialen Kompetenzen und mindert mögliche Hospitalisierungseffekte, die als negative körperliche und psychische Begleit-folgen eines Krankenhausaufenthaltes bei den Patienten auftreten können.
Dr. Jörg Wittenberg:
Ab wann muss sich der Patient dann mit dem Thema seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz auseinandersetzen und mit welchen Therapieformen nähern Sie sich dem Thema?
Dr. Christoph Florange:
Bereits während der Behandlungsphase nähern wir uns durch die Gesprächspsychotherapie und die soziotherapeutische Behandlung dem Thema „Rückkehr an den Arbeitsplatz“ zunehmend an. Dieser Aspekt, der im Verlauf der Behandlung immer wieder angesprochen wird, rückt in der Entlassungsphase (circa 10 Tage, bevor der Patient die Klinik verlässt) mehr in den Fokus der Gespräche mit dem Patienten. In diesem Zusammenhang werden seitens des Krankenhaussozialdienstes u.a. Kontakte zum Arbeitgeber aufgenommen, um beispielsweise Wiedereingliederungsmaßnahmen zu besprechen. Diese Gespräche werden u.U. außerhalb der Klinikräume gemeinsam mit dem Patienten, der von einem Mitarbeiter des Krankenhaussozialdienstes begleitet wird, in einem Arbeitgebergespräch vor Ort durchgeführt.
Dr. Jörg Wittenberg:
Wie sehen die Eckpunkte einer solchen Wiedereingliederungsmaßnahme aus, die das Sozialgesetzbuch in solchen Fällen vorsieht?
Dr. Christoph Florange:
Nach einer lang andauernden seelischen Erkrankung liegt es häufig auf der Hand, dass die Patienten im Rahmen der Genesungsphase noch nicht in der Lage sind, einen gesamten Arbeitstag voll umfänglich zu bewältigen. Deshalb kommt das Instrument der beruflichen Wiedereingliederung zur Anwendung. In Absprache mit dem Arbeitgeber und der Krankenkasse wird hierbei ein gewisser Zeitraum definiert, innerhalb dessen der an den Arbeitsplatz zurückkehrende und sich auf dem Wege der Besserung befindliche Patient in Teilzeit arbeiten soll. Die Teilarbeitsfähigkeit wird nach einem weiteren definierten Zeitraum gesteigert, um letztendlich in mehreren Schritten in vollständige Arbeitsfähigkeit überzugehen. Dieses schonende Vorgehen im Sinne des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements ermöglicht es bereits länger erkrankten Patienten, sich wieder besser an die Anforderungen des Berufsalltages anzupassen.
Dr. Jörg Wittenberg:
Halten Sie die Unterstützung der Firmen für die Rückkehrer für ausreichend oder was sollte hier aus Ihrer Sicht noch verbessert werden?
Dr. Christoph Florange:
In der Regel stehen Firmen dem Instrument der beruflichen Wiedereingliederung positiv gegenüber und unterstützen den Patienten bei der Rückkehr in den Berufsalltag in einem ausreichenden Maß. Da jedoch die private Krankenversicherung (kurz: PKV) das Instrument der beruflichen Wiedereingliederung nicht kennt, sind die Patienten hier auf die freiwillige Unterstützung der PKV angewiesen, die gewissermaßen als Kulanzleistung erbracht wird. Dies ist deshalb problematisch, weil privat Versicherte somit keinen Rechtsanspruch auf das soziotherapeutische Instrument der beruflichen Wiedereingliederung haben, welches im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ein wichtiges Therapieelement darstellt.
Dr. Jörg Wittenberg:
Welche Maßnahmen können die betroffenen Burn-out Patienten darüber hinaus für sich ergreifen, um den Übergang ins Alltagsleben besser meistern zu können?
Dr. Christoph Florange:
Wesentlich ist es, die Nachsorge im Nachgang zum Klinikaufenthalt bzw. den Übergang in die ambulante Weiterbehandlung zu erleichtern. Die Patienten sollten zeitnah weiter psychiatrisch-/ psychotherapeutisch behandelt werden, was auch die Gabe einer Medikation beinhalten kann, die dafür sorgt, den gebesserten Gesundheitszustand einfacher aufrecht zu erhalten. Leider wird von den Patienten häufig der Fehler gemacht, die Medikamente zu früh abzusetzen, weil es ihnen ja nach der stationären Behandlung wieder vermeintlich gut geht.
Dr. Jörg Wittenberg:
Der Wechsel des Arbeitsplatzes oder gar der Ausstieg aus dem Berufsleben ist natürlich auch eine Option für die Betroffenen. Wie sehen Sie die Entscheidung zwischen Rückkehr zum und der Abkehr vom alten Arbeitsleben? Wieviel Prozent der Burn-out Patienten in Deutschland kehren nicht in ihr altes Arbeitsleben zurück?
Dr. Christoph Florange:
Ziel der Therapie sollte letztendlich sein, dass der Patient wieder in seinen bisherigen Alltag zurückkehren kann, was auch die Rückkehr in das bisherige Berufsleben beinhaltet. Dies ist auch aus volkswirtschaftlichen Gründen sinnvoll, da es allgemein gilt, die Leistungsfähigkeit des Einzelnen zum Wohle der Gesellschaft zu erhalten. Der Ausstieg aus dem Berufsleben sollte somit nur die allerletzte Option darstellen, was sich allerdings bei einem gewissen Teil der Burn-out Patienten nicht ganz verhindern lässt. Schätzungsweise kehrt ein Viertel der Burn-out Patienten nicht mehr in das alte Arbeitsleben zurück.
Dr. Jörg Wittenberg
Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Florange.
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